Die blaue Blume

Ich suche die blaue Blume,
Ich suche und finde sie nie,
Mir träumt, dass in der Blume
Mein gutes Glück mir blüh.

Ich wandre mit meiner Harfe
Durch Länder, Städt und Au'n,
Ob nirgends in der Runde
Die blaue Blume zu schaun.

Ich wandre schon seit lange,
Hab lang gehofft, vertraut,
Doch ach, noch nirgends hab ich
Die blaue Blum geschaut.

Joseph von Eichendorff
(1818)

Zu Eichendorffs Lebzeit waren die blauen Arten der Gattung Meconopsis in Europa noch nicht bekannt. Wer weiß, wie die letzten Zeilen seines Gedichts ansonsten gelautet hätten? Zweifellos zählen diese Stauden zu jenen Pflanzen, die den Betrachter unweigerlich in ihren Bann ziehen. Ein solch absolut reines Himmelblau findet man wohl sonst bei keiner anderen Pflanzengattung. Im Gegensatz zu den meisten anderen Vertretern der Familie Papaveraceae sind die kalkfliehenden Meconopsis Pflanzen des Halbschattens. Ihre Kulturbedingungen stimmen daher gut mit denen der Rhododendron überein, weshalb sie auch deren ideale Begleiter sind. Der typische blaue Scheinmohn ist Meconopsis betonicifolia. Ebenso wie die weniger bekannte Art Meconopsis grandis gilt M. betonicifolia als perennierend. Wie viele andere Meconopsis auch hybridisieren diese beiden Arten sehr leicht. Es ist deshalb nahezu unmöglich, Samen der reinen Arten zu erhalten. Pflanzen, die aus Saatgut von renommierten Firmen oder von anderen Pflanzenfreunden gewonnen wurden, stellten sich nachträglich daher durchweg als Arthybriden heraus. Neben den blau blühenden Meconopsis gibt es noch viele weitere Arten und Sorten, welche ein Farbspektrum von weiß über gelb, rot und violett bis zum reinen Blau abdecken. Viele dieser Arten sind monokarpisch, d.h. sie sterben nach der Blüte und der Samenbildung ab, was die permanente Nachzucht über Samen notwendig macht.

Hybriden zwischen diesen beiden Arten werden Meconopsis x sheldonii genannt. Sie können entweder steril oder fertil sein. Besonders bekannt wurde der fertile strain "Lingholm", dessen F2-Generationen nicht wieder in die Ausgangsarten aufspalten. Man spricht deshalb inzwischen von Meconopsis 'Lingholm'. Leider erweist sich bei uns ein Teil der Pflanzen dieses strains als monokarpisch. Sie setzen aber reichlich Samen an, weshalb wir immer für genügend Ersatz sorgen können.

In Aussaat­anleitungen wird oft behauptet, Scheinmohn sei ein Frostkeimer, der eine Kühlphase von 2-4 Wochen benötigt. Das kann ich zumindest für M. 'Lingholm' nicht bestätigen. Sowohl bei Aussaat unmittelbar nach der Samenernte als auch beim Säen im Spätwinter im Haus keimt der Samen zuverlässig auch ohne Stratifikation.


Manche Meconopsis­arten, welche aufgrund ihrer Blütenfarbe bisweilen etwas weniger spektakulär sind, beeindrucken zusätzlich durch wunderschön behaarte, wintergrüne Blattrosetten. Beispiel sind Meconopsis napaulensis, M. integrifolia oder M. paniculata. M. regia gehört ebenfalls in diese Kategorie. Ich musste allerdings lernen, dass mein schönes Exemplar nicht rein sondern hybridisiert ist. Aber eigentlich ist das ja gleichgültig, oder etwa nicht?